„Wir tun bei uns im Unternehmen schon ganz schön viel für die Frauen“ – SWOPS zeigt: Die Wirklichkeit ist auch in Frankreich manchmal eine andere, nicht nur bei uns.

swops_logo_prismen_frankreich

„Wir tun bei uns im Unternehmen schon ganz schön viel für die Frauen“ – SWOPS zeigt: Die Wirklichkeit ist auch in Frankreich manchmal eine andere, nicht nur bei uns.

Bei der Akquisition kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) im Rahmen von SWOPS hat sich gezeigt: Französische Arbeitgeber setzen auf die Unterzeichnung staatlich verordneter Aktionspläne für mehr Chancengleichheit am Arbeitsplatz, lassen jedoch die Umsetzung gelegentlich außer Acht.

 

Unsere Projektpartner aus Frankreich haben Interviews mit sieben ausgewählten KMU vor Ort geführt, außerdem breit angelegte Recherchen in ihrem Einzugsgebiet durchgeführt, sodann die Ergebnisse ausgewertet und konsolidiert. Unsere ursprüngliche Zielsetzung, in den französischen KMU auch Beratungen für die Optimierung des unternehmenseigenen Personalmanagements durchführen zu können, erwies sich als nur bedingt realisierbar. Der Grund: In Frankreich gibt es seit 2012 ein Gesetz zur Chancengleichheit im Beruf zwischen Frauen und Männern. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, entsprechende Tarifverträge abzuschließen, oder – sofern dies nicht möglich ist – sogenannte „Aktionspläne“ zu entwickeln. Aus einem Katalog von acht möglichen Aktionsfeldern müssen die Unternehmen drei Schwerpunktthemen auswählen: Rekrutierung, Ausbildung, Weiterbildung, Förderung des beruflichen Werdegangs, Wiedereinstieg, Optimierung der Arbeitsbedingungen, Gleichbezahlung oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

 

Die Analyse der Vorgespräche ergab,, dass die Mehrheit der Arbeitgeber*innen überzeugt ist, mit der Unterzeichnung der Aktionspläne einen Beitrag zu mehr Chancenfairness im Unternehmen geleistet zu haben. Alle beteiligten KMU-Vertreter/innen haben vor der Unterzeichnung der Aktionspläne die hierzu notwendigen konzeptionellen Beratungen mit externen Beraterinnen und Beratern vor gar nicht allzu langer Zeit absolviert, sie sind der Überzeugung, einen wichtigen Schritt in Richtung Gender-Gerechtigkeit getan zu haben.

 

Dies ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam mit unseren französischen Projektpartnern gemeistert haben: eine genauere Sichtung und Auswertung der bestehenden Vereinbarungen und Aktionspläne brachte belastbares Datenmaterial. Ferner haben Vertreter*innen der ausgewählten KMU an zwei regional strukturierten Feedbackworkshops teilgenommen, die dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch dienten und zu (Selbst-)Reflexion sowie einem Zuwachs an Bewusstsein für die Umsetzung der Aktionspläne beigetragen haben. Damit konnten sich unsere französischen Partner mit den gewonnenen Daten in die Entwicklung des Beratungsmodells einbringen und ihre Projektziele erfolgreich umsetzen.

 

Eine erste Analyse der Aktionspläne liegt bereits vor: CISTE (Carrefour de l’Innovation Sociale du Travail et de L‘Emploi), ein Zusammenschluss der Sozialpartner und weiterer Arbeitsmarktakteure, zu denen auch unser französischer SWOPS-Partner, das Ressourcenzentrum im französischen Poitou-Charentes (CRGE), gehört, hat unlängst in der Region die insgesamt 108 zwischen 2011 und 2014 geschlossenen Sozialpartnervereinbarungen und Aktionspläne analysiert. Beteiligt haben sich Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie, dem Groß- und Einzelhandel sowie aus Sozial- und Gesundheitseinrichtungen.

 

Interessant ist, dass in den Bereichen Rekrutierung (76), berufliche Bildung (65), Bezahlung (63) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie (61) die häufigsten Vereinbarungen geschlossen wurden. Dabei lag der Fokus insbesondere auf Maßnahmen, die die Elternschaft der Beschäftigten betreffen. So boten die Aktionspläne zusätzliche freie Tage für die Betreuung von Kleinkindern auch ohne eine Erkrankung der Kinder sowie flexible Arbeitszeitgestaltung mit Blick auf die besondere Lebenssituation von Eltern. Hinzu kommen mögliche Zusatzzahlungen, die Unterstützung von Vätern, wenn diese Elternurlaub nehmen wollen und zahlreiche Regelungen, die Frauen wie Männern den Wiedereinstieg in den Job erleichtern.

 

Viele dieser Regelungen jedoch, so die Untersuchung von CISTE, übernehmen lediglich gesetzliche oder bereits bestehende betriebliche Vereinbarungen. Die Indikatoren sowie Instrumente, die eigentlich die Umsetzung der in den Aktionsplänen proklamierten Maßnahmen überprüfen müssten, erweisen sich mehrheitlich als unzureichend in der Ausarbeitung. Französische Arbeitgeber, die sich gegenüber ihren Mitarbeitenden gerade in puncto Wiedereinstieg als großzügig erweisen, scheinen sich um die Altersvorsorge ihrer Beschäftigten indes nur wenig Sorgen zu machen. Keine der 108 Vereinbarungen nimmt das Renten-Thema in den Blick – und dies, obwohl der sogenannte „Gender Pension Gap“, das heißt die Höhe der eigenen Alterssicherungseinkommen der Frauen relativ zu denen der Männer, nach wie vor einen bedeutenden Faktor bei der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen darstellt.

 

Die Verpflichtung für jedes Unternehmen, sich der Thematik zu stellen und Aktionspläne zu entwickeln und mit den Arbeitnehmervertreter/innen zu verhandeln, ist – im europäischen Kontext gesehen – wichtig. Was noch wichtiger ist: Weiter daran zu arbeiten, die Programme mit Leben zu erfüllen und deren Umsetzung erfolgreich voranzutreiben. Mit dem offenen SWOPS-Beratungsmodell dürfte der Zugang dazu für viele Unternehmen in Europa erleichtert werden.

 

Das von BPW Club Berlin e.V. 2013 initiierte Kulturwandel-Projekt wird von der EU-Kommission in Brüssel, dem Berliner Senat für Arbeit, Integration und Frauen (SenAIF) sowie der Senatsverwaltung Östergotland (Schweden) mit rund einer halben Million Euro gefördert.