Mehr Interesse für Technikberufe in Frankreich

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Mehr Interesse für Technikberufe in Frankreich

Internationales Strukturwandelprojekt SWOPS des BPW Club Berlin e.V. belegt: Mehr Interesse für Technikberufe bei Schülerinnen und Berufs­einsteigerinnen. Vor allem in Frankreich fehlen noch weibliche Fach- und Führungskräfte.

Erste Ergebnisse aus der Befragung französischer Unternehmen zeigen: Auch wenn französische KMU bei Chancenfairness im europäischen Vergleich die Nase vorn haben, ist auch in Frankreich der Bedarf an gut ausgebildeten weiblichen Fach- und Führungskräften groß. Zwei Beispiele aus der Praxis.

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SWOPS führte bei zwei französischen KMU mit einem Frauenanteil von rund 30 Prozent qualitative Interviews durch. Fazit: Beide Unternehmen – klassische Mittelständler mit einer vergleichsweise geringen Anzahl an Mitarbeitenden – sind bereit, mehr weibliche Beschäftigte einzustellen. Passiert hier tatsächlich etwas für Frauen? Zumindest werden hier die in Frankreich geltenden Standard-Kriterien für Beförderungen oder die Entwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern uneingeschränkt befolgt. Das heißt, Beförderungen werden individuell ausgehandelt, ebenso gemeinsame Zielvereinbarungen. Auch die Führungsebene wird regelmäßig analysiert und gemessen. Zudem berücksichtigen die beiden Unternehmen die in Frankreich geltenden Rechtsbedingungen in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit. Jedoch zeigt sich, dass keines der beiden befragten KMU seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezielte Work-Life Balance Angebote bietet. Dessen ungeachtet gibt es in beiden Unternehmen einen festgelegten Ansprechpartner für den Fall, dass es genderrelevante Fragestellungen oder Probleme zu lösen gilt.

 

Die Arbeitszeiten in den befragten Unternehmen entsprechen den normalen Bürozeiten zwischen 8:00 und 17:00 Uhr. Gemeinsame Kaffeepausen im Umfang einer halben Stunde am Vormittag sorgen dafür, dass die Mitarbeiter sich untereinander austauschen können. Sitzungen nach 17 Uhr finden nicht mehr statt. Mögliche Konfliktsituationen werden auf der persönlichen Gesprächsebene geklärt, es herrscht ein offener Umgang zwischen den Mitarbeitenden. Mit Blick auf die überschaubare Größe der Belegschaft, sind die Unternehmen offen für flexible Arbeitszeitmodelle, jedoch gibt es keine speziellen Wiedereinstiegs und -ausstiegsmodelle für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor und nach der Babypause. Die geringe Unternehmensgröße ermöglicht entsprechend individuelle Entscheidungen nur von Fall zu Fall.

 

Die jeweilige Position entscheidet darüber, inwiefern den Mitarbeitenden gezielt Schulungen und Weiterbildungsangebote vorgeschlagen werden. Mitarbeitende aus dem Technologiesektor profitieren von technikorientierten Qualifizierungsangeboten, während Mitarbeitende aus dem Sales-Bereich eher

Angebote zum Fremdsprachenerwerb wahrnehmen. Bei der Nutzung dieser Angebote sind keinerlei Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu erkennen, vielmehr werden Entscheidungen, wer von welchen Angeboten profitiert, auf Basis der jeweiligen Arbeitsbereiche und der Bedürfnisse getroffen. In beiden französischen KMU gibt es keinen Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen – Gehälter werden mit Blick auf Hierarchiestufe und Tätigkeitsfeld festgelegt. Die Frauen in den befragten Unternehmen nehmen Elternurlaub in Anspruch. Ein betriebsinternes Kinder­betreuungs­angebot gibt es nicht. Stattdessen bieten beide Unternehmen eine flexible Arbeitszeitgestaltung an.

 

Wie auch in Deutschland setzt sich die französische Gesellschaft zu nahezu gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammen. Das leichte Ungleichgewicht zugunsten von Männern in den befragten Unternehmen führen beide Unternehmen auf unterschiedliche Kompetenzprofile zurück. In Chemie- und Gießereibetrieben stehen insgesamt weniger Frauen als Männer zur Verfügung. Ungeachtet dessen ist auch hier ein leichter Anstieg an qualifiziertem weiblichem Nachwuchs zu verzeichnen. Beide Unternehmen sind bereit, mehr Frauen einzustellen. Oft genug scheitert dies am limitierten Angebot entsprechend qualifizierter Frauen im Arbeitsmarkt. Gleichstellungsmaßnahmen besitzen somit keine Priorität oder greifen nur in geringem Umfang.

 

Aus Sicht der befragten Unternehmen gilt es, entsprechende Ausbildungs­angebote an Berufsschulen und Universitäten auch in Form von „Trainings on the Job“ deutlich zu verbessern. Cornelia F. Krämer, 1. Vorsitzende des BPW Club Berlin e.V. unterstreicht die Wichtigkeit, gerade junge Frauen frühzeitig für neue Berufsbilder im MINT-Bereich zu begeistern: „Nach den Erkenntnissen aus Schweden, die neue Formen des Recruitings als eine der größten Herausforderungen im internationalen Wettbewerb sehen, belegen nun auch die Ergebnisse aus Frankreich, wie wichtig es ist, ein frühzeitiges Bewusstsein bei Mädchen und Studentinnen für mögliche Karrierewege im MINT-Bereich zu schaffen. Dabei ist unsere Gesellschaft gefordert, Rollenbilder neu zu denken – Männer und Frauen gemeinsam an einem Tisch, in Betrieben und am besten schon in der Familie am Küchentisch. Rollenbilder werden unbewusst sehr früh geprägt. SWOPS entwickelt ein Beratungstool als Handreichung für die Unternehmensführung, strukturelle Barrieren in den Köpfen aufzulösen und mittelfristig ihre Attraktivität als Arbeitgeber für potenzielle Mitarbeiterinnen zu steigern. Unternehmen, die (unbewusst) vorzugsweise in der Zielgruppe der männlichen Bewerber rekrutieren, halbieren faktisch den Bewerberpool und bringen sich selbst um die Chance der Weiterentwicklung.“

 

Gemischte Teams tragen erwiesenermaßen zu innovativeren Ergebnissen und mehr Kreativität im Unternehmen bei, was positiv auf die Zufriedenheit der Belegschaft zurückwirkt. Als Employer-Branding-Tool ist SWOPS ein wichtiges Instrument für die Personalentwicklung. Die Ergebnisse aus den in den Ländern erfolgten Beratungen im Anschluss an die Auswertung der mit den Führungskräften durchgeführten Interviews, werden zu einer vergleichenden Länderanalyse verdichtet. Diese steht für interessierte KMU nach Projektabschluss EU-weit als Best Practice Studie sowie als Handlungs­leitfaden im Print- und Online-Format bereit.

 

Neben dem BPW Club Berlin als Projektkoordinator und der Berliner RKW GmbH, die die inhaltliche Steuerung verantwortet, beteiligen sich weitere Partnerorganisationen aus Frankreich, Schweden und Österreich an der Entwicklung von SWOPS: Der europäische Arbeitgeber­zusammenschluss Centre Européen de Ressources des Groupements des Employeurs (CERGE), Poitiers, sowie auf regionaler Ebene das Centre de Ressources des Groupements d’Employeurs (CRGE), Poitou-Charentes, Frankreich. In Österreich, das 130 Unternehmen umfassende Cluster für nachhaltige Abfallwirtschaft aus der Steiermark ARGE.at sowie in Schweden das KMU-Netzwerk des innovativen Standort­entwicklers Tillväxt Motala.

 

Das von BPW Club Berlin e.V. initiierte Kulturwandel-Projekt wird von der EU-Kommission in Brüssel, dem Berliner Senat für Arbeit Integration und Frauen (SenAIF) sowie der Senatsverwaltung Östergotland (Schweden) mit rund einer halben Million Euro gefördert.